Merlin
von Tankred Dorst
Premiere am 21.01.2012, Deutsches Nationaltheater Weimar
Der Mythos schreibt ihm eine einzigartige Rolle zu. Merlin, Gestalt gewordene Vollendung des tief liegenden menschlichen Wunschtraumes nach Freiheit und Selbstbestimmung, ist nicht nur Meister der Wildnis und des Ungeheuren, er wirkt auch als eine Art Zauberer, Hauspriester und Seelenführer, kurz, als ein Guru, wie er im Buche steht.
Als solcher wird Merlin zum Begründer einer grandiosen Versuchsanordnung, die sich bis heute ihr utopisches Potenzial bewahrt hat. Es handelt sich um die legendäre Tafelrunde von König Artus, Lancelot und den anderen wackeren Rittern. Diese Runde könnte – als Urbild einer wahrhaft demokratischen Institution – auch funktionieren, würde Merlin nicht zugleich etwas Dämonisches in sich tragen. Sein Vater ist der Teufel, der nichts anderes im Sinn hat, als die göttlich gewollte Ordnung zu zerreißen. So sehr sich Merlin ihm zu widersetzen versucht, so sehr schwankt er aber auch hin und her zwischen dem Guten und dem Bösen, zwischen Welterschaffung und Weltvernichtung, zwischen eleganter Zauberei und Entzauberung durch Realität.
Tankred Dorst entwickelt in seinem Stück Merlin oder das wüste Land daraus ein Spiel um Macht und Liebe, Verführung und Verführbarkeit, in dessen Verlauf die Figuren zusehends von ihren irrationalen Leidenschaften dominiert werden. Die Folgen sind verheerend, es kommt zum privaten wie öffentlichen Krieg, diktatorische Fantasien entfalten sich. Das Projekt Demokratie droht zu scheitern, die Tafelrunde bricht auseinander, verliert ihre Form und wird von innen wie von außen dem Prozess der Zersetzung unterworfen. Gleichwohl glimmt am Ende ein Hauch von Hoffnung, denn das Bestehen einer Utopie ist notwendige Voraussetzung dafür, dass diese Utopie irgendwann einmal in Realität überführt werden kann….
mit: Michael Wächter, Jeanne Devos, Caroline Dietrich, Nina Mariel Kohler, Elke Wieditz, Thomas Büchel, Bastian Heidenreich,
Hagen Ritschel, Johannes Schmidt
Bühne: Ann Heine
Kostüme: Barbara Aigner
Musik: Jacob Suske
Dramaturgie: Jürgen Otten